Wo Lucas Cranach auf Hightech trifft

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Die achte Jahrgangsstufe des Frankenwald-Gymnasiums besuchte das FabLab in Kronach. Unter Anleitung ihrer Kunstlehrerin Mirjam Gwosdek fertigten die Gymnasiasten hier Hochdruck-Linolschnitte an. Die Ergebnisse werden bei den Internationalen „DruckKunstWochen“ ausgestellt.

Kronach- Ausgebreitet liegen, Seite an Seite, kleine Papierstücke auf dem großen Tisch im Seminarraum des Kronacher FabLabs. Sie zeigen Ausschnitte aus berühmten Kunstwerken von Lucas Cranach. Sorgsam zeichnen die Achtklässler des Frankenwald-Gymnasiums an diesem Dienstagvormittag den jeweils von ihnen ausgewählten Ausschnitt mit Bleistift ab, um ihren Entwurf später als Linolschnitt zu gestalten und danach im Hochdruckverfahren zu Papier zu bringen.    

„Ich finde es toll, welche Möglichkeiten hier jungen Leuten geboten werden“, würdigt deren Kunstlehrerin Mirjam Gwosdek, die sich sehr über die kostenlose Nutzung des - gerade auch für Schulgruppen idealen - hellen und geräumigen Arbeitsraums freut. Ein FabLab (Englisch: „Fabrication Laboratory“‚ zu Deutsch „Fabrikationslabor“) ist eine offene, digitale und global vernetzte Werkstatt, die auf computergesteuerte Fertigung ausgerichtet ist. Beim FabLab im ehemaligen Link-Gebäude in der Güterstraße handelt es sich um eine Einrichtung für die Studierenden der sich entwickelnden Studiengänge des Lucas-Cranach-Campus. Offizieller Betreiber ist die Lucas-Cranach-Campus-Stiftung. Große Wert legen die Verantwortlichen darauf, dass die Labore mit ihrer technischen Ausstattung auch der heimischen Bevölkerung zugänglich sind. So finden dort zum Beispiel Veranstaltungen wie der Reparaturtreff der Grünen statt sowie Kooperationen mit Vereinen wie „Kronach leuchtet“ oder Künstlern.

Willkommen in der Werkstatt der Zukunft

„Wir wollen nicht nur akademische Themen bespielen, sondern die komplette Gesellschaft erreichen“, spricht der wissenschaftliche Leiter des Lucas-Cranach-Campus, Prof. Dr. Tobias Bocklet, von einer neuartigen Verbindung von wissenschaftlicher Lehre, heimischen Unternehmen, Handwerk und Bürgerschaft. Gemeinsam mit den Laboringenieuren, dem Maschinenbauer Martin Haseney und dem Elektriker Fabian Wagner, führte der Professor für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz an der Technischen Hochschule Nürnberg die jungen Leute durch die Räumlichkeiten. Die Schüler staunten nicht schlecht angesichts des vorhandenen großen Maschinenparks mit jeder Menge Werkzeug zur Bearbeitung von Holz, Metall, Kunststoff, für Prototyping, Laserbearbeitung und CNC-Fräsen. Neben einer Textil- sowie Elektronikwerkstatt stellt die Stiftung auch das Equipment eines Media-Labors mit Audio, Video, Aufnahme und Verarbeitung kostenlos zur Verfügung. Insgesamt laden vier voll ausgestattete Labore zum Mitmachen, Mitdenken und Mitgestalten förmlich ein. Genau dies ist auch Intention der Lucas-Cranach-Campus-Stiftung. „Je mehr in den Räumen gearbeitet und experimentiert wird, umso besser“, wünscht sich Prof. Dr. Tobias Bocklet.

„Leider ist der Lucas-Cranach-Campus und seine Bedeutung für den Landkreis noch nicht richtig in den Köpfen der Bevölkerung angekommen“, bedauert Ingo Cesaro, der das Angebot der offenen Werkstatt bereits im März dieses Jahres für den Workshop anlässlich des bundesweiten „Tag der Druckkunst“ nutzte. Dabei erprobten sich an gleicher Stelle - ebenfalls im Seminarraum - Teilnehmer jeden Alters in verschiedenen künstlerischen Drucktechniken. Gleichzeitig bestand auch die Möglichkeit, Beiträge im Postkartenformat für das von ihm - anlässlich des in Kronach gefeierten Cranach-Jahrs 2022 - ausgerufene internationale mail-Art-Projekt zu den Themen „550. Geburtstag von Lucas Cranach d.Ä. und 500 Jahre September-Testament“ zu schneiden und drucken.

Insgesamt erreichten Cesaro zu diesem Projekt über 500 Beiträge aus aller Welt, nachdem er rund 400 Künstler hierzu schriftlich eingeladen hatte. Auch kreative Schüler des Frankenwald-Gymnasiums brachten sich mit rund 20 Arbeiten ein. Zu bestaunen sind 510 der kunstvoll gestalteten Postkarten derzeit im Rahmen der Internationalen „DruckKunstWochen“ in der Alten Markthalle des Historischen Rathauses, wo sie - an Fäden befestigt - von der Decke baumeln. Im Mittelpunkt des noch bis zum Sonntag laufenden Großereignisses stehen die unterschiedlichsten Drucktechniken. Seit dem 19. September fertigen hier im lockeren Wechsel Künstler aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz Holzschnitte im traditionellen Hochdruck, ebenfalls zum Thema des Cranach-Doppeljubiläums. Cesaro freut sich sehr, dass hierzu auch das Gymnasium wieder einige Arbeiten beisteuert, wofür Mirjam Gwosdek derzeit zwei Mal wöchentlich mit verschiedenen Schülergruppen ins FabLab kommt.

Die Gymnasiasten arbeiten dabei mit der Technik der verlorenen Platte. „Verlorene Platte“ bedeutet, dass mit einer einzigen Druckplatte ein mehrfarbiger Druck erstellt wird, und die Platte danach eigentlich unbrauchbar ist. Nach dem Druck einer Farbe wird die Platte weiterbearbeitet und mit der nächsten Farbe gedruckt, wodurch immer mehr von der Druckplatte abgetragen wird und diese dadurch quasi „verloren“ ist.

Die entstehenden Kunstwerke werden ebenfalls in der Alten Markthalle noch bis zum 16. Oktober ausgestellt. Bis zu dem Tag können Interessierte dort täglich, auch noch am Samstag und Sonntag, von 11 Uhr bis 17 Uhr den Künstlern in der offenen Werkstatt über die Schulter schauen und sich unter deren Anleitung selbst im Holzschnitt probieren.

-hs-

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